Mit dem Erdbeer-Express nach Aranjuez

Der Erdbeer-Zug bringt heute Touristen nach Aranjuez.
Historischer Erdbeer-Zug

Spanische Erdbeeren sind fast ganzjährig in Deutschland zu kaufen, gelten aber als pestizidbelastetes und wenig aromatisches Massenprodukt. In der Madrider Autonomieregion Aranjuez besinnt man sich auf die traditionellen Wurzeln ihres Anbaus und hat jetzt eine Qualitätsoffensive gestartet.

Wenn es in den Sommermonaten die Temperaturen auf den Feldern rund um Aranjuez erbarmungslos bis auf 45 Grad klettern, hat Fernanado Alcázar alle Hände voll zu tun. Für ihn ist dann Hochsaison, denn der Landwirt baut auf einer Fläche von fünf Hektar Artischocken, grünen Spargel und vor allem Erdbeeren an. Letztere werden ihm fast aus der Hand gerissen.

Erdbeerernte in Aranjuez
Erdbeerernte in Aranjuez

Weniger ist mehr

„Ich führe inzwischen eine Warteliste“, sagt der 46-jährige, der sechs unterschiedliche Sorten im Angebot hat. Nicht ohne Grund, seine Erdbeeren sind süß und haben ein besonders intensives Aroma.

„Wir stellen Qualität nicht Quantität in den Vordergrund“, betont Alcázar, „unsere Erdbeeren reifen so lange in der Sonne bis auch die Spitzen rot sind“. Riesige Gewächshäuser, wie im Süden Spaniens üblich, sucht man bei ihm vergebens.

In der Hauptsaison erntet er mit seinen fünf Helfern rund 140 Kilo pro Tag. Eine lächerlich geringe Menge, verglichen mit den großen Betrieben im andalusischen Almeria, die wegen hohen Pestizideinsatzes, schlechter Arbeitsbedingungen und Gefahren für die Umwelt immer wieder in der Kritik stehen.

Die Gegend um Aranjuez, rund 50 Kilometer südlich der spanischen Hauptstadt, gilt als der Gemüsegarten von Madrid. Ihre Produkte genießen den Ruf als besonders hochwertig. Und das hat eine lange Tradition.

Erdebeeren aus Aranjuez sind besonders aromatisch.
Besonders intensiv Geschmack.

Königliche Genüsse

Doch es war nicht die Erdbeere, die Aranjuez über die Grenzen hinweg bekannt machte. Der Ort, in dem heute knapp 60.000 Einwohner leben, verdankte seinen Aufstieg dem Spanischen König Philipp II., der Mitte des 16. Jahrhunderts beschloss, in den fruchtbaren Tälern des Rio Tajo eine Sommerresidenz zu erbauen.

Zum prunkvollen Palacio Real kamen sukzessive üppige Lustgärten und Parkanlagen, die im 18. Jahrhundert unter Karl III. ein barockes Gesicht mit Springbrunnen, Skulpturen und Rabatten bekamen. Palast und Gärten zählen heute zum Unesco Weltkulturerbe und ziehen jährlich Tausende Besucher an.

Mit den Königsfamilien kam die gesamte fürstliche Entourage in die Residenz von Aranjuez, flanierte im Park oder vergnügte sich in üppig verzierten Barken und Gondeln auf dem Tajo. Der Hofstaat musste verpflegt werden und so ordnete der jeweilige Regent an, was die Bauern liefern sollten.

Da in adeligen Kreisen Erdbeeren als besondere Delikatesse galten, wurden sie auf Geheiß von Karl III. fortan auf den Feldern angebaut. Die sonnenverwöhnte Region bot ein ideales Klima für Früchte mit einem besonders intensivem Geschmack.

Schlosshof in Aranjuez
Kolonaden im Schlosshof

Auf der Schiene nach Madrid

1851 wurde die erste Bahnlinie zwischen Madrid und Aranjuez eröffnet. Sie brachte nicht nur den Adel schneller und bequemer in die Sommerfrische, sondern transportierte in umgekehrter Richtung Obst, Gemüse und Erdbeeren aus den Gärten in die Hauptstadt.

Ende des 19. Jahrhunderts verloren König und Adel das Interesse an Aranjuez, Badeurlaube am Meer kamen in Mode, Schloss und Parks hatten an Attraktivität verloren.

Geblieben aber ist die Bahnstrecke, auf der man noch heute im historischen „Erdbeerzug“, dem „tren de la fresa“, zur Königsresidenz und ihren Gärten fahren kann und zur Einstimmung frische Erdbeeren serviert bekommt.

Klasse statt Masse

Fernando Alcázar will an die Traditionen des Obst- und Gemüseanbaus anknüpfen und sich durch hochwertige Qualität von den großen südspanischen Agrarkonzernen absetzen. Die allerdings konnten sich seit den 1970er Jahren einen festen Platz in den Madrider Supermärkten sichern, nicht zuletzt durch ihre Billigangebote.

Alcázar interessiert das nicht. Er setzt auf Klasse statt Masse und das hat seinen Preis. Seine Erdbeeren werden ausschließlich in Feinkostläden und ausgewählten Restaurants angeboten und kosten fast doppelt so viel wie die aus anderen Landesteilen. Aber die Nachfrage ist groß, die Bauern können den Bedarf kaum decken. Denn nur noch 40 Produzenten gibt es in und um Aranjuez, deren Anbauflächen bei überschaubaren fünf bis zehn Hektar liegen.

Eingang zum Prinzengarten.
Der Prinzengarten gilt als der schönste Park in Aranjuez.

Doch viele der kleinen Obst- und Gemüsebauern sehen genau darin ihre Chance. Unter dem Vorsitz von Fernando Alcázar hat sich vor eineinhalb Jahren ein Verband gegründet, mit dem Ziel, die Qualität durch Information, Austausch und engmaschige Kontrollen zu steigern. Mittelfristig wollen sie Obst und Gemüse aus Aranjuez als Marke mit eigenem Qualitätssiegel etablieren.

Auch wenn der Verband erst neun Mitglieder hat, knapp ein Viertel aller Obstbauern – der Anfang ist gemacht.

Sollten ihre Pläne aufgehen, könnten Erdbeeren aus Aranjuez ihren zweiten großen Triumph feiern. Nur nach Deutschland werden sie es nicht schaffen, denn die Produkte bleiben in der Region und werden auch dort verzehrt.

 

Fotos: Bettina Hagen

REISETIPPS

Anfahrt von Madrid

Aranjuez liegt 45 Kilometer südlich von Madrid. Die Fahrt mit dem Auto dauert etwa eine halbe Stunde, mit dem Regionalzug vom Bahnhof Atocha oder Chamartín 50 Minuten. Der Bahnhof liegt in Palastnähe.

Vom Busbahnhof Estación Sur de Autobuses de Madrid fahren etwa alle 15 Minuten Autobusse und benötigen rund 50 Minuten.

Der Erdbeerzug verkehrt von Mai bis Oktober an verschiedenen Wochenenden. Die genauen Termine gibt es unter www.esmadrid.com/de/der-erdbeerzug

Sehenswert

Palacio Real de Aranjuez: Im 16. Jahrhundert als kleine Sommerresidenz geplant wurde der Palast unter den Bourbonen im 18. Jahrhundert um zwei Flügel und den Ehrenhof zu einer großen Barockanlage erweitert. Auch der Innenbereich wurde mit Thronsaal, Porzellansalon Paradezimmer, Schlosskapelle und den privaten Wohnräumen der königlichen Familie prunkvoll ausgestattet.

Gruppenführungen durch die Prunksäle und Schlafgemächer und Audioguides gibt es auch auf Deutsch.

Jardín del Príncipe: Der Prinzengarten gilt als der schönste in Aranjuez. Er wurde 1763 vom französischen Gartenbaumeister Boutelou gestaltet. Der Park beherbergt das Museum der Königlichen Lustboote (Museo De Faluas Reales), wo die königlichen Gondeln ausgestellt sind und das Lustschloss Casa del Labrador.

Altstadt: Lohnenswert ist ein Bummel durch die barocke Altstadt. Auf der Calle Capitán Angosto Gómez Castrillón locken Geschäfte und Boutiquen zum shoppen, nicht weit entfernt liegt die historische Markthalle, in der man unter anderem Erdbeeren und grünen Spargel aus der Region kaufen kann.

Essen

El Rana Verde, c/ Reina, 1, 28300 Aranjuez, www.elranaverde.com

Familienbetrieb, direkt am Ufer des Tajo. Traditionelle spanische Küche. Unbedingt die Ochsenbäckchen probieren.

Übernachten

NH Collection Palacio de Aranjuez, C/ San Antonio, 22, 28300 Aranjuez

4 Sterne Hotel in ehemaligem Adelspalast, gegenüber vom Weltkulturdenkmal Palacio de Aranjuez. Modern und zentrumsnah.

Lesenswert

Madrid Lonely Planet

Druckfrisch und voll mit Informationen über Sehenswürdigkeiten, Stadtviertel, Lebensart und gespickt mit Insidertipps ist der handliche Reiseführer aus dem Lonely Planet Verlag ein nützlichen Begleiter für den nächsten Madrid Trip. Wenn auch Aranjuez etwas stiefmütterlich behandelt wird, so wird das durch die lesenswerten Kapitel zu Stadt- und Kulturgeschichte wieder gut gemacht. Viele gut recherchierte Empfehlungen zu Tapasbars, Restaurants, Clubs und Cafés. Mit herausnehmbaren Stadtplan.

Anthony Ham, Lonely Planet Reiseführer Madrid,  2. Auflage Mai 2016, ISBN-13: 978-3829721806

 

 

WEITERE INFOS:

Madrid Tourismus: www.esmadrid.com/de

Spanien Tourismus: www.spain.info/de

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