Ganz im Südwesten Frankreichs liegt die Region Aquitanien mit seiner Hauptstadt Bordeaux. Dank der Lage am Atlantik ist sie besonders bei Wassersportlern und Freunden fangfrischer Meeresfrüchte beliebt.
Vom Flugzeug aus betrachtet, sieht die französische Atlantikküste von Aquitanien aus, wie mit einem Lineal gezogen.
Schnurgerade führt ein insgesamt 270 Kilometer unverbauter langer Sandstrand vom Mündungsdelta der Gironde bis zur spanischen Grenze. Beinahe langweilig, auf den ersten Blick. Beim näheren Hinschauen jedoch bietet die Gegend eine Vielseitigkeit, die Erstaunen lässt. Der raue Atlantik hat mit seinen konstanten Winden im Laufe der Jahrtausende eine breite Dünenlandschaft geschaffen, die ihresgleichen in Europa sucht.
Paradies für Surfer
Sand und Dünen sind freilich nichts, was die junge internationale Surfergemeinde begeistert, die sich alljährlich im mondänen Seebad Biarritz trifft. Wo früher die gekrönten Häupter Europas die Sommerfrische verbrachten, Kaiserin Elisabeth und der Herzog von Windsor am Strand flanierten, in den fünfziger Jahren sich Hollywoodstars wie Frank Sinatra, Rita Hayworth und Bing Crosby die Klinke in die Hand gaben, dominieren jetzt braungebrannte und athletische Körper junger Menschen.
Morgens um sechs sieht man sie erwartungsvoll auf den Atlantik schauen, um ja die richtige Welle nicht zu verpassen. Davon jedoch gibt es in Biarritz genügend. Nicht ohne Grund werden dort jährlich internationale Wettbewerbe ausgetragen. Der Ort ist zur Pilgerstätte für Surfer geworden, denen die hohen und launischen Atlantikwellen jeden Tag neue Herausforderungen bieten.
Wandernder Sandriese
Kein Besuch der französischen Atlantikküste sollte ohne einen Abstecher zur Bucht von Arcachon enden. Allein schon, um die spektakuläre Düne von Pilat zu bewundern, die den Atlantik von der Bucht trennt. Durch eine Enge von dreieinhalb Kilometern fließt frisches Meereswasser in das Becken.
1978 wurde der Sandriese von Pilat mit seiner stattlichen Höhe von 118 Metern zur höchsten Düne Europas gekürt. Stoisch-ruhig liegt der 2700 Meter lange Koloss im Wasser und leuchtet in der Sonne. Doch der Schein trügt. Unaufhörlich reichert der Wind die Düne an der Ostseite mit neuem Sand an. So dringt sie jedes Jahr etwa vier Meter in Landesinnere vor und begräbt dabei eine Unzahl an Strandkiefern unter sich. An der Westseite hingegen zehren Wind und Ozean an ihr.
Wer bei guter Kondition ist, sollte sich in die Karawane einreihen und die Düne erklimmen. Die grandiose Aussicht über die Bucht von Arcachon entschädigt über den schweißtreibenden Aufstieg. Fischerboote sind nur noch bunte Punkte auf dem blauen Wasser und selbst der Leuchtturm in der Spitze der Halbinsel Cap Feret wirkt plötzlich klein. Nach dem Abstieg, wenn der feine Sand aus den Ritzen der Schuhe entfernt ist, wäre es eine gute Gelegenheit, sich im Austerndorf L’Herbe zu stärken.
Austern ohne Ende
Das Becken von Arcachon ist die Heimat der französischen Auster. Im Wasser sieht man großflächige Austernbänke, die von ihren Eigentümern von bunten Barkassen aus gepflegt werden.
Serge Castaing ist einer von ihnen. Jeden Tag fährt er in die Austernbänke und prüft, ob wieder neue Austernbabys geboren sind. Sie werden dann zur Aufzucht in die Normandie oder in die Bretagne geschickt. Nur ein Teil bleibt im Aquitaine. „Austern passen sich schnell an ein neues Klima an“, erklärt Castaing. „Wenn sie in der Bretagne heranwachsen, bekommen sie eine andere Form und einen anderen Geschmack“.
Immerhin: 80 Prozent der gesamten französischen Glibberproduktion wurde im Becken von Arcachon geboren. Castaings Familie züchtet Austern in der dritten Generation. „Leicht ist es nicht“, gesteht er, „wenn ich die kleine Degustation nicht hätte, würde ich nicht über die Runden kommen“. Doch er liebt seinen Beruf und verzehrt täglich ein halbes Duzend der kleinen Schalentiere.
Ebenso wie sein 80jähriger Vater, der gelegentlich aushilft, sich aber lieber mit den Gästen auf der Terrasse unterhält. Nichts gehe bei ihm über Austern, sagt er, sie seien gesund, deshalb wäre er heute noch so fit. Und sie stärken die Manneskraft, davon ist er überzeugt. Bewiesen hat das allerdings noch niemand.
Mekka für Gourmets: Aquitaniens kulinarisches ABC
Fotos: Bettina Hagen