Senf • Ein Wurstdip macht Karriere

In der Küche ist Senf vielseitig einsetzbar. Und er ist gesund, das ist bewiesen. Schon die alten Ägypter, Griechen und Römer schätzten die Heilkraft der scharfen Senfkörner.

Süßer Senf, scharfer Senf, Senf mit Chili, Kräutern, Knoblauch, Limonen oder Feigen, in den Supermärkten und Feinkostläden ist die Sortenvielfalt heutzutage so groß wie nie. Senf ist in Mode, je ausgefallener die Mischungen, desto beliebter.

Die Zeiten, in denen er nur zu Würstchen oder Frikadellen genossen wurde, sind längst vorbei. Senf hat den Einzug in die anspruchsvolle Küche geschafft, kaum ein Koch, der seine Speisen nicht mit der würzig-aromatischen Paste verfeinert. Selbst Pralinen und Schokolade werden inzwischen mit Senf aromatisiert.

Auch in den Haushalten steigt der Pro-Kopf-Verbrauch. Lag er nach Angaben des Verbands der Hersteller kulinarischer Lebensmittel (VKL) im Jahr 1975 bei 587 Gramm pro Jahr, so verzehrten die Deutschen 2014 durchschnittlich 1,1 Kilo. Entsprechend stieg auch die Senfproduktion: 1975 wurden knapp 37.000 Tonnen hergestellt, 2014 lag die Zahl bei fast 87.000 Tonnen.

Die Maische läuft in die Walze
Rund 400 Kilo wiegt ein Mühlrad

Traditionelle Herstellung

In dem kleinen Eifelstädtchen Monschau, in der Nähe von Aachen, steht eine der letzten historischen Senfmühlen Deutschlands. Sie gehört zu den wenigen Betrieben, in denen die traditionelle Senfherstellung fortgeführt wird, und das durchgängig seit 1882. Ruth Breuer ist Chefin des Familienbetriebes und führt mit ihrem Vater die Senfmühle in die fünfte Generation.

Gerne erzählt sie die Geschichte ihres Ururgroßvaters, dem Gründer, der noch mit dem Pferdewagen von Ort zu Ort fuhr und den selbstgemachten Senf aus großen Bottichen verkaufte. Über Land fahren die Breuers heute nicht mehr, der Vertrieb hat sich längst in zwei Läden und ins Internet verlagert, doch das Herstellungsverfahren ist nach wie vor das des Ururgroßvaters.

„Unsere Produkte sind alle steinvermahlen“, erklärt Ruth Breuer bei Betriebsführungen. Was das bedeutet ahnen Gäste, sobald sie die kleine Produktionsstätte betreten, in der es nach Essig und Senf riecht. Vier große Mühlenräder dominieren den Raum, jeweils zwei aufeinanderliegend. Es sind Basaltlavasteine aus der Eifel, von denen jeder bis zu 400 Kilo wiegt.

Doch bevor der Senf zwischen den Mühlsteinen gemahlen wird, muss eine Maische angerührt werden. Dazu wird in einem Holzfass Senfmehl mit Wasser, Essig, Kochsalz sowie streng geheimen Gewürzmischungen zu einem flüssigen Brei vermischt. Er riecht scharf und treibt Tränen in die Augen, kommt man zu nah.

Nach einer Ruhephase, in der die Maische ihr Bukett entwickelt, werden die Mühlsteine in Bewegung gebracht. Langsam und gleichmäßig läuft Maische in den Walzenstuhl, der schwerfällig und mit einem schabenden Mahlgeräusch rotiert.

Senf ist bei Familie Breuer Familientradition
Senfmüller in fünfter Generation

Scharfe Körnchen – klein aber oho

„Während des Mahlvorgangs werden die senfölhaltigen Samenzellen aufgebrochen und die Zutaten verbinden sich“, sagt Senfmüllerin Breuer. „Anders als bei der industriellen Herstellung entwickelt sich beim Mahlen mit Basaltsteinen keine Wärme. Bei dieser schonenden Methode bleiben die wertvollen ätherischen Öle der Senfkörner erhalten“. Zwei Mal läuft die Maische durch die Mühlen, bis am Ende der cremige Senf in einem großen Behälter aufgefangen wird.

Der Unterschied ist zu schmecken. Der traditionell produziert Senf hat eine feine geschmeidige Konsistenz und ein volles Aroma. Je nach Sorte werden frische oder getrocknete Kräuter und Gewürze, Obst und Gemüse dazu gegeben. Nur Zutaten der jeweiligen Jahreszeit finden ihren Weg in den Monschauer Senf. Und da es im Winter keine frischen Feigen gibt, wird dann auch der beliebte Feigensenf nicht hergestellt.

Bis zu 400 Kilogramm Senf kann die Monschauer Mühle an einem Tag produzieren. Industriebetriebe schaffen 30.000 Kilo pro Stunde.

Senf gibt es in unzähligen Geschmacksrichtungen
Nie war die Senfvielfalt größer

Clevere Pflanze

Die Senfpflanze ist ein gelblich blühendes Kraut, das dem Raps ähnlich sieht und im September blüht. Als botanischer Kreuzblütler gehört sie zur gleichen Familie wie Rettich, Meerrettich und Kapuzinerkresse. Ihre verschiedenen Sorten bringen weiße, gelbe, braune oder schwarze Senfkörner hervor, die sich Geschmack und Schärfe deutlich unterscheiden.

„Für unsere Produktion nutzen wir gelbe und braune Senfsaat“, sagt Ruth Beuer, „wobei die braune für die Schärfe im Senf verantwortlich ist. Ein Geschmackstest soll das zeigen: Die dunklen Senfkörner sind geruchlos und schmecken nicht scharf, sondern mild und leicht nussig. So der erste Eindruck.

Dann aber entfacht plötzlich das Feuer im Mund. Hier hat sich die Natur eines Tricks bedient. Um die Senfpflanze vor Insektenfraß zu schützen, entwickelt das Senfkorn seine Schärfe erst, wenn die Schale beschädigt wird und mit Flüssigkeit in Berührung kommt. Dann wird das Senföl freigesetzt und die Insekten suchen das Weite.

Der Schärfegrad des Senfs wird in der Mischung von milden und scharfen Körnchen festgelegt und jeder Senfmüller hat da eine eigene streng geheime Rezeptur.

Anbau in Deutschland

In Deutschland war der Anbau von Senf lange Zeit Aufgabe der Köhler. Mit Aussterben ihres Berufs jedoch geriet der Senfanbau in Vergessenheit. Die Folgen sind noch immer zu spüren: Ein Großteil der Senfkörner für den deutschen Markt wird importiert, meistens aus Kanada oder Osteuropa. Erst seit einigen Jahren gibt es in Sachsen erste Versuche, den Senfanbau wieder zu beleben.

Die Mischung von Senfkörner bestimmt die Schärfe
Bestimmen den Schärfegrad – gelbe und braune Senfkörner

Dabei hat Senf in Deutschland eine lange Tradition. Großer Förderer des Senfanbaus war Karl der Große, der 795 anordnete, dass jeder in seinem Garten Senf anbauen solle. Karl glaubte an die heilende Wirkung des Senfs. Und er war nicht der erste. Bereits 300 vor Christi wurde in Indien Senf als Gewürzpflanze angebaut.

Die Griechen und Römer nutzen ihn zum Würzen und Konservieren von Lebensmitteln, vor allem aber zur Behandlung von körperlicher Beschwerden. Die Römer waren es dann auch, die den Senf über die Alpen bis nach Deutschland und Frankreich brachten.

Spezialität aus Dijon

Im 13. Jahrhundert eroberte sich die Stadt Dijon eine Monopolstellung in der Senfproduktion und die erste Zunft der Senfhersteller wurde in Frankreich gegründet. Neue Mixturen wurde kreiiert und die Franzosen  setzen erstmals Senf nicht mit Essig sondern mit Most an. Ein Novum.

Aus dieser dijoneser Spezialität entstand das französische Wort „Moutarde“, das englische „Mustard“ und das deutsche „Mostrich“ oder „Mostert“. Etwa Zeitgleich hielt Senf Einzug in die Apotheken und wurde gerne bei Verdauungsproblemen empfohlen.

Wirkungsvoller Virenschreck

Die heilende Wirkung von Senf beschäftigt die moderne Medizin auch heute noch. Am Universitätsklinikum Freiburg hat man 2009 Senföle im Rahmen einer Studie genau untersucht. Mit überraschenden Ergebnissen: Demnach haben Senföle aus Meerrettichwurzel und Kapuzinerkressenkraut eine ausgeprägte keimhemmende Wirkung und sind bei leichten Infekten ebenso so wirksam wie Antibiotika.

Auch vor Pralinen macht der Senf nicht halt
Selbst Pralinen werden mit Senf verfeinert

In einer weiteren Untersuchung prüften die Freiburger die Wirkung des Senföls auf insgesamt 13 klinisch relevante Erreger bakterieller Infektionen der Harnwege und Atmungsorgane.

Wieder mit eindeutigem Ergebnis: Senföl erwies sich als eine wirksame und gut verträgliche Alternative zum Antibiotikum und wirkt auch bei durch Viren ausgelösten Erkältungen, gegen die Antibiotika völlig machtlos sind.

Damit ist nun auch wissenschaftlich bewiesen, was schon lange bekannt war: Der Klecks Senf am Tellerrand ist nicht nur lecker, sondern auch gesund.

Fotos: Historische Senfmühle Monschau

INFOS
Senfmühle Monschau

Laufenstr. 118
52156 Monschau
Tel. 02472/ 2245
http://www.senfmuehle.de

Einzelführungen:
Mittwoch 11.00 und 14.00 Uhr (März bis Oktober)
Freitag 11.00 und 14.00 Uhr (April bis Oktober)
Ohne Voranmeldung

Gruppenführungen:
nach Absprache